Fachwerkhäuser energieeffizient erhalten
PROCERAM unterstützt Forschungsprojekt im Freilichtmuseum Hessenpark
In Deutschland existieren rund zwei Millionen Fachwerkgebäude aus dem 15. bis 19. Jahrhundert, welche aufgrund ihrer Beheizung für unverhältnismäßig hohe CO2-Emissionen verantwortlich sind. Neue Sanierungskonzepte und -methoden werden aktuell erforscht – die PROCERAM-Gruppe aus Kamp-Lintfort forscht gemeinsam mit der Universität Stuttgart mit unterschiedlichen Putzen an Fachwerkhäusern.
Traditionelles Kulturgut zu erhalten und gleichzeitig mehr Energieeffizienz erreichen scheint ein Widerspruch zu sein. Gerade im Bereich der Fachwerkhäuser, die vielen deutschen Städten wie Quedlinburg, Fritzlar, Esslingen oder Tübingen ihren besonderen Charme verleihen, ist keinesfalls an eine Veränderung der Fassade zu denken, die den Charakter dieser traditionellen Häuser komplett verändern würden. Gleichzeitig verursachen diese Gebäude, die auch in anderen europäischen Ländern wie der Schweiz, Österreich, Frankreich, England oder den Niederlanden zahlreiche Orte prägen, einen im Verhältnis zu ihrer Wohnfläche überproportionalen Energiebedarf und damit auch Emissionsausstoß. Daher soll bis zum Jahr 2050 die Klimaneutralität auch für den Gebäudebestand an Fachwerkhäusern erreicht werden.
Tradition bewahren – Klimaziele erreichen
Im Zusammenhang mit den Pariser Klimazielen und dem hohen Einsparpotential, welches die Gebäude- und Bauwirtschaft zu deren Erreichung bietet, müssen dringend auch für diese Bauform langfristig funktionierende Sanierungskonzepte erarbeitet werden. Daher gibt es auch ein Verbundprojekt „Fachwerk 2.0“, bei dem die Hochschule Rhein-Main, das Freilichtmuseum Hessenpark und die Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg die Möglichkeiten zur Steigerung der Energieeffizienz an Fachwerkgebäuden unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit erforschen.
Hierzu hatte der Leiter der Stabstelle Bauwesen & Kompetenzzentrum Fachwerk des Hessenparks, Eberhard Feußner, auch die PROCERAM ins Boot geholt, da er bereits von den rein mineralischen Dämmputzen des Unternehmens überzeugt war. Dieses Forschungsprojekt ist auch deshalb so wichtig, weil nach früheren Sanierungen klar wurde, dass nicht alle Stoffe mit den historischen Baustoffen harmonieren: So schützten beispielsweise bestimmte Farben die historischen Holzbalken nicht, sondern beschleunigten im Gegenteil noch deren Verfall oder spezieller Zement kam mit den natürlichen Bewegungen des Holzes und Lehms in der Fachwerkkonstruktion nicht zurecht und brach wieder heraus.
Monitoring durch die Universität Stuttgart
Gut 100 Fachwerkhäuser zählt der Hessenpark derzeit auf seinem Gelände. Sie alle waren an ihren ursprünglichen Standorten in ganz Hessen Kulturdenkmäler gewesen, die dort weichen mussten und im Hessenpark originalgetreu wieder aufgebaut wurden. Durch den Umzug haben sie den Schutzstatus verloren, werden aber im Museum zu neuem Leben erweckt: Einige sind original eingerichtet und zeigen, wie Menschen auf dem Land in früheren Jahrhunderten gelebt und gearbeitet haben. Andere werden für die Präsentation von Ausstellungen oder seit neuestem auch für die Forschung genutzt.
Eines dieser Fachwerkhäuser, welches in Bauweise und Größe ein repräsentatives Gebäude darstellt, wird aktuell im Hessenpark saniert. Hier werden von PROCERAM an drei Gebäudeseiten in unterschiedlichen Bereichen verschiedene Putze innen und außen angebracht. Dabei handelt es sich laut PROCERAM-Projektleiter Olaf Kallweit um den vielfach bewährten, hochdämmenden Aerogelputz mit 0,027W/mK, den häufig bei Fachwerk und im Denkmalschutz genutzten Perlit-Wärmeputz Branelit mit 0,060 W/mK sowie um den Ecoputz Außen mit Mikroglashohlkugel-Technologie und 0,042 W/mK. Zudem wurden ein traditioneller Kalkputz im Außenbereich und ein Lehmputz im Innenbereich angebracht. Im Gebäude sind insgesamt 210 Messfühler verbaut, die genau das Verhalten des Baukörpers dokumentieren und beispielsweise den Feuchteaustausch und die Dämmwirkung der Putze erfassen.
Auch wenn PROCERAM bereits seit Jahren gute Erfahrungen bei der Sanierung von historischen Gebäuden gemacht hat, ist es dem forschungsorientierten Unternehmen ein wichtiges Anliegen, die Wirkungsweise der Putze unter dem Monitoring der Universität Stuttgart über drei Jahre professionell zu untersuchen. An Ende wird eine genaue Analyse stehen, die zeigt, welcher Putz am besten mit den historischen Baustoffen harmoniert. Schließlich soll es ein Handbuch geben, welches genaue Handlungsempfehlungen für die richtige energetische Sanierung von Fachwerkhäusern geben wird. Ziel ist, dass künftig das Bewahren der Tradition und Energieeffizienz der Gebäude in Einklang stehen können oder, wie es Eberhard Feußner formuliert: „Wir wollen ermöglichen, dass die Fachwerkhäuser erhalten bleiben, dass sie energetisch ertüchtigt werden und damit weniger Emissionen erzeugen und somit die bauhistorisch wertvolle Bausubstanz langfristig erhalten bleibt.“
Veröffentlicht in: Allgemeine Bauzeitung